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„Wir wollen nicht Alleinherrscher sein“

Die Islamische Republik Iran hat sich von ihrer Doktrin, die Alleinherrschaft in der Region anzustreben, verabschiedet. Das könne eine sinnvolle Perspektive des dauerhaften Friedens in der Region eröffnen, schreibt Prof. Mohssen Massarrat in seinem Gastbeitrag für Iran Journal. mehr »

Die Vorbereitung dieses Weges schließt über vertrauensbildenden Maßnahmen hinaus viele Dimensionen ein, von denen im Folgenden beispielhaft einige genannt werden:

– Die Erweiterung von Trumps Forderung nach Begrenzung der Reichweite iranischer Raketen in eine Verhandlung über die Begrenzung der Reichweite der Raketen aller Staaten in der Region, einschließlich der von Israel und Saudi-Arabien. Dieser Schritt, so er akzeptiert und realisiert würde, könnte zu einem Modell der Abrüstung für alle anderen Waffensysteme in der Region werden. Wenn jedoch Trump diesen Vorschlag ablehnt, müsste er erklären, warum er sich einem solchen Abrüstungsschritt verweigert, der die Erfüllung seiner eigenen Forderung einschließt, die Reichweite von Irans Raketen zu begrenzen.

– Die Schaffung einer gemeinsamen Kommission aus willigen Staaten der Region und der EU zur Entwicklung geeigneter Maßnahmen, um weitere Flüchtlingsströme aus der Region nach Europa zu unterbinden. Die EU hätte angesichts zunehmender Islamfeindlichkeit und gefahrvoller Stärkung rechtspopulistischer Parteien ein dringendes Eigeninteresse an gemeinsamer Arbeit zur Eindämmung der Flüchtlingsströme. Dieses Interesse bestünde auch langfristig in der Schaffung einer Kriege verhindernden Politik der gemeinsamen Sicherheit im Mittleren und Nahen Osten.

Der Vorschlag eines gegenseitigen Nichtangriffspakts an alle Staaten in der Region.

– Die Vorbereitung wichtiger praktischer Maßnahmen zur Schaffung von Strukturen der gemeinsamen Sicherheit und ökonomischer und kultureller Kooperation sowie die Einladung aller willigen Staaten der Region zur aktiven Mitwirkung an den Vorbereitungen für die Realisierung dieses Weges. Dass alle Staaten sich gleichzeitig zur Arbeit an dieser Friedensperspektive bereit erklären würden, dürfte bei einer realistischen Einschätzung eine Illusion darstellen. Andererseits wäre es ein großer Irrtum und ein unverzeihliches Versäumnis, nichts zu unternehmen, bis alle Staaten die Vorteile der gemeinsamen Sicherheit und Kooperation erkennen. Daher stellt der Beginn des möglicherweise über Jahre oder Jahrzehnte andauernden Prozesses mit den willigen Staaten der Region ein Gebot der Vernunft dar. Dieser Prozess kann dann Schritt für Schritt durch den Anschluss von neuen und bereitwilligen Staaten erweitert werden, bis möglichst alle Staaten dabei sein werden. Die Bereitwilligkeit müsste allerdings durch sinnvolle gemeinsame Projekte, vor allem auf den Gebieten Energie-, Wasser- und Gesundheitsversorgung, des Aufbaus von grenzüberschreitender Infrastruktur wie Transportwege, Eisenbahnprojekte, Elektrizitätsleitungen und vieles andere mehr, beflügelt werden, um so die Vorteile gemeinsamer Sicherheit und Kooperation für alle spürbar werden zu lassen.

– Neue Anstrengungen, um die von der UN beschlossene Helsinki-Konferenz zur Schaffung einer massenvernichtungswaffenfreien Zone wieder zu beleben. Dazu müsste zunächst der UN-Beschluss dahingehend korrigiert werden, dass die Helsinki-Konferenz auch durch die Beteiligung von bereitwilligen Staaten stattfinden und arbeiten kann[3].

– Die Erwägung, die aktuellen Syrienkonferenzen in Genf und Astara an die Anstrengungen zur Schaffung von Strukturen der gemeinsamen Sicherheit für die gesamte Region zu koppeln.♦

  MOHSSEN MASSARAT

Der Autor ist Professor i. R. für Politik und Wirtschaft der Universität Osnabrück und lebt in Berlin. Sein aktuelles Buch „Braucht die Welt den Finanzsektor. Postkapitalistische Perspektiven“ erschien 2017 im Hamburger VSA-Verlag.

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[1]           Zarif ist hier mit der Verwendung des Begriffs „kollektive Sicherheit“ unpräzise, um nicht zu sagen einem begrifflichen Fehler aufgesessen. Als „kollektive Sicherheit“ wird in der Wissenschaft der internationalen Beziehungen ein System für Staaten gleicher ökonomischer Strukturen und gemeinsamer Werte bezeichnet. Demnach entstanden die NATO und der Warschauer Pakt als klassische Systeme der kollektiven Sicherheit. Die Staaten im Mittleren und Nahen Osten teilen keine gemeinsamen Werte und sind auch ökonomisch unterschiedlich geprägt. Für diese Staaten eignet sich daher das Konzept „Gemeinsame Sicherheit“, das ein Sicherheitssystem zwischen Staaten mit unterschiedlichen Entwicklungs- und Wertemustern meint. Klassisches Beispiel dafür ist die die von Michael Gorbatschow vorgeschlagene Sicherheitsarchitektur zwischen den europäischen Staaten und Russland (Das gemeinsame europäische Haus zwischen Lissabon und Wladiwostok).

[2]           Leider sind die EU-Regierungen gegenwärtig darauf fixiert und dem Irrglauben aufgesessen, ihre Unabhängigkeit im Verhältnis zu den USA durch weitere Aufrüstung und massive Belastung der europäischen Haushalte zu erreichen. Der 2% Beschluss der Nato und damit eine Verdoppelung der Haushalte der EU-Staaten ist eher ein Konjunkturprogramm für die Rüstungsindustrie in Europa und vor allem in den USA. Militärisch würde sie dadurch als David hinter Goliath niemals von den USA unabhängig werden.

[3]           Dazu scheint die historische Erfahrung sinnvoll, dass viele Staaten der Region, einschließlich Iran, ihre Teilnahme an der Helsinki-Konferenz, zugesagt hatten, die gemäß einem UN-Beschluss im Dezember 2014 beginnen sollte. Das Projekt scheiterte jedoch daran, dass Israel und die USA in allerletzter Sekunde ihre Teilnahme verweigerten. Durch den problematischen UN-Beschluss zur Teilnahme aller Staaten als Vorbedingung war ein Vetorecht in den Beschluss eingebaut, das das Scheitern der Konferenz im Grunde vorprogrammiert hatte.

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