„Wir ermutigen alle Regierungen in Europa, das Volk von Venezuela und die Übergangsregierung in Venezuela zu unterstützen, indem sie Guaidó als Übergangspräsidenten anerkennen“, sagte die für Lateinamerika zuständige US-Diplomatin Kimberly Breier letzte Woche. 13 EU-Länder inklusive Deutschland sind der Aufforderung bisher gefolgt und haben Venezuelas Oppositionsführer Juan Guaidó offiziell als Interimspräsident des Landes anerkannt. Der gewählte venezolanische Präsident Nicolás Maduro spricht von US-Aggressionen gegenüber seinem Land.
I call on the world's dignified and independent governments to reject the virulent threats made by Donald Trump against Venezuela, an action that violates the United Nations Charter and international rights. pic.twitter.com/5KLzg28ibM
— Nicolás Maduro (@maduro_en) 4. Februar 2019
Keine völkerrechtliche Grundlage
Laut UN-Charta gebe es allerdings keine völkerrechtliche Grundlage einen selbsternannten Präsidenten von außen so ohne weiteres zu unterstützen, erklärt der emeritierte Politikwissenschaftler Mohssen Massarrat. Das nämlich würde eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder bedeuten, was nach UN-Recht nicht erlaubt ist. Massarrat kritisiert:
„Dass der deutsche Außenminister Maas in dieser Richtung initiativ geworden ist, ist ganz schlecht und gefährlich, denn auf diese Weise werden der US-Regierung und Präsident Trump Signale gegeben, dass Europa hinter einem Regime Change steht. Das ist auch immer ein Signal für Militärinterventionen. Solange Europa gegen US-amerikanische Militärinterventionen ist, ist es schwierig für eine US-Regierung einen innergesellschaftlichen Konsens dafür zu bilden.“
„Mittelostisierung“ der Konflikte in Lateinamerika
Auch 2011 in Libyen seien die Europäer vorgeprescht, hätten die Pläne der USA und Hillary Clintons umgesetzt und so mit dazu beigetragen, dass das Libysche Regime gestürzt worden sei. Die Folgen seien bis heute spürbar. Etwas Vergleichbares in Lateinamerika wäre katastrophal für den gesamten Kontinent. Massarrat warnt: „Wir würden eine ‚Mittelostisierung‘ der Konflikte in Lateinamerika zu erwarten haben.“
Vergleichbar mit Syrien
Eine militärische Intervention der USA in Venezuela könnte leicht zu einem Bürgerkrieg ausarten. Sollte ein Teil der Militärs der Aufforderung von Guaidó folgen und sich auf seine Seite schlagen, könnten vor allem die niedrigen Ränge für Präsident Maduro Partei ergreifen und notfalls die Regierung mit Militärgewalt verteidigen, vermutet Massarrat. Dann sei es nicht ausgeschlossen, dass die Vereinigten Staaten die abtrünnigen Militärs aus der Luft unterstützen würden. Eine solche Situation erinnert den ehemaligen Professor für Politikwissenschaft an der Universität Osnabrück an Syrien:
„Erst nachdem sich dort ein Teil der Armee gegen Assad gewandt hatte, gab es eine große Auseinandersetzung innerhalb der Armee, erst dann ist der Bürgerkrieg eigentlich losgegangen.“
Was steht dem Kontinent bevor?
Sorgen macht er sich aber nicht nur um Venezuela. Für den gesamten Kontinent sehe es nicht gut aus, denn offensichtlich solle der Versuch eines Regierungswechsels nicht auf Venezuela beschränkt bleiben. Massarrat sagt:
„Die USA haben zugegeben, dass auch die Regierungen in Nicaragua und Kuba nicht in das Konzept der US-Regierung passen. Man will offensichtlich generell den Einfluss Russlands und Chinas, auch des Irans, in Lateinamerika auf null reduzieren. Das ist ein größeres Projekt. Hier soll die berechtigte Kritik der Bevölkerung an der Versorgungslage in Venezuela genutzt und instrumentalisiert werden, um von außen ein Regime Change herbei zu führen.“
Das komplette Interview mit Prof. Mohsen Massarrat zum Nachhören:
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