Es ist der 11. Dezem­ber 2013 — zu später Stunde steht die Anne-​Will-​Talkshow auf dem Pro­gramm. Disku­tiert wird der Vorschlag der Banken­reg­ulierung, den die EU-​Kommission vier Jahre nach der Finanzkrise endlich vorgelegt hat.

Mit von der Par­tie ist, außer deutschen Befür­wortern und Kri­tik­ern des Kom­mis­sionsvorschlags, dies­mal auch der Invest­ment­banker und ehe­ma­lige US-​Botschafter in Deutsch­land, John Korn­blum. Wie immer erhitzen sich bei diesem Thema die Gemüter.

Immer­hin geht es um die Frage, wer für die Kosten der Bankenkrise aufkommt, die Banken oder die Steuerzahler. Diese Debatte ging aber dem amerikanis­chen Teil­nehmer ziem­lich bald gegen den Strich: „wir haben in Amerika die Banken inner­halb von weni­gen Wochen verstaatlicht.

Ich ver­stehe aber nicht, warum Ihr in Europa so lange braucht, um das Prob­lem mar­o­der Banken zu lösen.“ Klar, Amerika ist halt aus einem anderen Holz geschnitzt. Get­rost kon­nte man daher Korn­blums viel sagen­den Ein­wurf überge­hen.

In dem einige Tage später in „Die Welt“ anlässlich 5 Jahre Lehman-​Pleite erschiene­nen Beitrag „USA stürzen Europa in die Krise und ziehen vor­bei“ fand man immer­hin Anhalt­spunkte für das amerikanis­che Wun­der. Tat­säch­lich haben die USA schon 2009 erfol­gre­ich sämtliche mar­o­den Banken ver­staatlicht, um ihre Schulden abzus­toßen und sie anschließend wieder zu pri­vatisieren, während in der EU aus der Bankenkrise eine Staatsver­schul­dungskrise gewor­den ist. Dabei sind die glob­alen Wirtschafts­daten der USA alles andere als rosig: die US-​Handelsbilanz weist z. B. seit 1987 unun­ter­brochen Defizite auf, die in diesen 26 Jahren ange­häufte Defiz­it­summe beträgt 9.627 Mil­liar­den US-​Dollar.

Die Ursache dafür ist, dass die US-​Ökonomie in Teilen gegenüber ihren Haup­tkonkur­renten EU, China und Japan längst nicht wet­tbe­werb­s­fähig ist. Die Staatsver­schul­dung der USA klet­terte zwis­chen 2003 und 2013 von 6.731 auf 17.556 Mil­liar­den Dol­lar um beinahe das Dreifache; die Staat­squote stieg im sel­ben Zeitraum von 60 auf 108 Prozent, damit deut­lich ras­an­ter als die Staat­squote der EU, die von 60 „lediglich“ auf 87 Prozent anstieg. Wie aber haben die Amerikaner trotz­dem das Wun­der voll­bracht, quasi im Han­dum­drehen ihre Bankenkrise loszuw­er­den und davonzuziehen?

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Die geheimnisvolle Geldquelle der USA: Die Staatsverschuldung

Gängige Antworten wie „die Amerikaner haben sehr schnell die Banken kap­i­tal­isiert und sehr früh Stresstests durchge­führt,“ so Andreas Dom­bret, das für Finanzsta­bil­ität zuständige Vor­standsmit­glied bei der Bun­des­bank, lassen das Wichtig­ste, näm­lich wo das dafür nötige Geld so rasch hergekom­men ist, ganz offen. Und das in einem Land, das ger­ade dabei ist, die riesi­gen Las­ten von zwei kost­spieli­gen Kriegen in Afghanistan und Irak zu bewälti­gen und das einen gigan­tis­chen Rüs­tung­shaushalt zwis­chen 500 und 800 Mil­liar­den Dol­lar seit dem Jahrhun­der­tan­fang unter­hält?

Zwar ver­fü­gen die USA mit 15.684 Mil­liar­den Dol­lar Brutto Inland­spro­dukt in 2012 über eine sehr mächtige Volk­swirtschaft, aber mit 12.785 Mil­liar­den Dol­lar im sel­ben Jahr, liegt­die EU nur ger­ingfügig hin­ter den USA. Durch die Größe der Volk­swirtschaft kön­nen also Amerikas Wun­der der gle­ichzeit­i­gen Bewäl­ti­gung von mehreren finan­za­ufwändi­gen Megapro­jek­ten nicht erk­lärt wer­den. In der EU ist die Frage der Las­ten­verteilung das größte ungelöste Prob­lem der Bankenkrise: Die Banken weigern sich, die Las­ten alleine zu tra­gen, die Regierun­gen sehen sich ander­er­seits mit zwei roten Lin­ien kon­fron­tiert, erstens die Belas­tun­gen für die Steuerzahler in Gren­zen zu hal­ten und gle­ichzeitig die selbst verord­neten Schulden­brem­sen einzuhal­ten.

Amerikas Regierun­gen scheinen dage­gen mit ihrer Poli­tik der Ver­gabe von Staat­san­lei­hen über eine geheimnisvolle Geldquelle zu ver­fü­gen, mit der sie sowohl die US-​Haushaltsdefizite wie die US-​Leistungsbilanzdefizite finanzieren.

Tech­nisch wer­den beide Ziele wie folgt umge­setzt: Um laufenden Staat­saus­gaben zu täti­gen tauscht das US-​Finanzministerium Staat­san­lei­hen bei der FED gegen von dieser frisch gedruck­ten Dol­lar um– allein in 2013 wurde so 1100 Mil­liar­den Dol­lar in Umlauf gebracht. Die FED wiederum ver­mark­tet diese Staat­san­lei­hen auf dem Welt­markt
und lenkt so ständig neues Kap­i­tal in die US Ökonomie, das für den Aus­gle­ich der Leis­tungs­bi­lanzde­fizite sorgt. Der Preis für diese Geld­schöp­fungspoli­tik ist die gigan­tis­che Staatsver­schul­dung.

Um die alten Anlei­hen samt Ren­diten bei Fäl­ligkeit zu bedi­enen, wer­den eben neue Staat­san­lei­hen aus­gegeben, die — gegen frisches Deld bei der FED einge­tauscht — erneut in Umlauf gebracht wer­den. Dieser Prozess kann beliebig fort­ge­setzt wer­den, solange wie Inve­storen darauf ver­trauen, dass Investi­tio­nen in US-​Staatsanleihen eine sichere und prof­itable Investi­tion­san­lage darstellen. Dieser weitest­ge­hend ver­bor­gene Dol­larkreis­lauf, — Investi­tio­nen in US-​Staatsanleihen, steigende Nach­frage nach Dol­lar, Geld­schöp­fung durch die FED — sorgt dafür, dass das Ver­trauen in US-​Staatsanleihen erhal­ten bleibt und ein ständi­ger Kap­i­talfluss in die US-​Ökonomie stat­tfindet. Kein Wun­der, dass dann eine unter gigan­tis­chen Han­dels­bi­lanzde­fiziten lei­dende Ökonomie, keinen Staats­bankrott befürchten muss. Die Aus­landsver­schul­dung der USA bedeutet Kap­i­talimport in die USA. In der Kap­i­tal­bi­lanz schlägt sich die Aus­landsver­schul­dung als Kap­i­talimportüber­schuss nieder. Im Zeitraum 2000 bis ein­schließlich 2013 stieg die Aus­landsver­schul­dung der USA von 5.628,700 auf 17.240,239 ‚somit um 11.620,539 Mrd.Dollar.[1]


Im Klar­text flossen in diesem Zeitraum eine zusät­zliche Kap­i­tal­masse, damit also reale Wirtschaft­sleis­tun­gen aus der ganzen Welt in dieser Höhe in die USA, während let­ztere sich darauf beschränk­ten, neues Geld zu drucken und in Umlauf zu brin­gen. Um die Rela­tio­nen nachvol­lziehbar zu machen, machte die in 2013 in die USA geflossene Kap­i­tal­masse von 1.198 Mil­liar­den Dol­lar Ca.7, 6 Prozent des BSP aus. Dieser zusät­zlich in die US-​Wirtschaft geflossene Kap­i­tal­stock erk­lärt auch, dass die US-​Sparquote in diesem Zeitraum Rich­tung Null drama­tisch abge­sunken ist. Die Amerikaner kon­sum­ierten nahezu ihre gesamten selbst pro­duzierten Waren und Dien­stleis­tun­gen, während der Rest der Welt für die Investi­tio­nen aufkam, um Amerikas Wirtschaft am Laufen zu halten.

Mit dem Instru­ment Staatsver­schul­dung durch Staat­san­lei­hen und Geld­neuschöp­fung ver­fü­gen die USA als einzige Ökonomie der Welt über die Möglichkeit, mehrere Megapro­jekte, wie Banken­ver­staatlichung und gigan­tis­che Rüs­tungsaus­gaben, gle­ichzeitig zu finanzieren, die eine Volk­swirtschaft niemals und ohne gravierende Fol­gen aus eigener Kraft bewälti­gen kann. Für die geräuschlose Abwick­lung der eige­nen Bankenkrise lieferte näm­lich die Fed­eral Deposit Insur­ance Cor­po­ra­tion (FDIC ) das nötige Kap­i­tal, deren Finanzba­sis im Wesentlichen eben die Staat­san­lei­hen des US-​Finanzministeriums sind. Die FDIC ist eine vom US-​Kongress speziell geschaf­fene Insti­tu­tion, „um Sta­bil­ität und öffentliches Ver­trauen in das nationale Finanzsys­tem herzustellen.“ Damit ist des Rät­sels Lösung für die rasche Abwick­lung der US-​Bankenkrise gelüftet, mit der sich der Ex-​US-​Botschafter John Korn­blum im deutschen Fernse­hen brüstete.

Die EU ver­fügt eben nicht über ein der­ar­tiges Instru­ment, da sie sich — im Unter­schied zu den USA — durch Staat­san­lei­hen und Geld­schöp­fung statt eines Kap­i­talzu­flusses eine Infla­tion ein­han­deln würde. Die weltweite Nach­frage nach Euros hält sich in Gren­zen, die EU-​Währung ist eben keine Weltwährung, die US-​Währung aber schon. Der bei weitem größte Teil des Welthandels wird immer noch in Dol­lar abgewick­elt. Deshalb ist die weltweite Nach­frage nach Dol­lars unge­heuer groß, und sie wächst in dem Maße, wie der Welthandel wächst. Deshalb kön­nen die USA auch mit Hilfe der Geld­druck­mas­chine laufend Dol­lars — gegen­wär­tig über 1.100 Mrd.Dollar im Jahr — in Umlauf brin­gen und damit ihre steigende Staatsver­schul­dung mit finanzieren[2].

Deshalb macht sich der US-​Ökonom und Wirtschafts-​Nobelpreisträger Roger B. Myer­son wegen der US-​Schulden auch keine Sor­gen. Denn, “Die US-​Schulden sind in Dol­lar“, so Myer­son,“ und die USA kön­nen Dol­lars drucken. [ ] Wir wer­den vielle­icht Infla­tion haben. Aber wir wer­den die Schulden sicher zurück­zahlen “ Dass aber die USA ihre Schulden, wie Myer­son behauptet, nie zurück­zahlen wer­den, wusste der US-​Ökonom Michael Hud­son bere­its in den 70er Jahren. „Da diese Anlei­hen des Finanzmin­is­teri­ums in die mon­etäre Basis der Weltwirtschaft einge­baut sind, müssen sie nicht zurück­gezahlt wer­den, son­dern wer­den unbe­grenzt erneuert. Auf dieser unendlichen Umschul­dung beruht die finanzielle Freifahrt der Vere­inigten Staaten, eine Steuer, die der ganzen Welt aufer­legt wird.“[3] Im Grunde ähneln die USA immer mehr den Ren­tier­staaten, wie z. B. Saudi Ara­bien. Statt Öl benutzen die USA jedoch den Dol­lar­als Hebel der Aneig­nung der glob­alen Kaufkraft, weil er die inter­na­tionale Leitwährung ist. Während Saudi-​Arabien immer­hin Öl gegen Leis­tun­gen anderer Natio­nen exportiert, pumpen die USA lediglich Papier in den glob­alen Geldkreislauf.

Rüs­tungsaus­gaben und Staatsverschuldung

Seit der Amt­süber­nahme von Georg W Bush junior stieg der Vertei­di­gung­shaushalt der USA drama­tisch an und erre­ichte 2011 die Reko­rd­summe von 705.557 Mrd.Dollar.[4] Gegen­wär­tig geben die USA soviel für Rüs­tung aus, wie der Rest der Welt zusam­men. Jede andere Volk­swirtschaft wäre mit der­art großen unpro­duk­tiven Aus­gaben längst zusam­menge­brochen. Tat­säch­lich hat das Wet­trüsten im Kalten Krieg zum Zusam­men­bruch der Sow­je­tu­nion geführt, während nach dem Ende der Block­kon­fronta­tion die USA ihre Rüs­tungsaus­gaben erst richtig steigerten und zwar expo­nen­tiell, näm­lich von 150 Mrd.Dollar in 1990 auf das beinahe Fünf­fache in 2011.

Der Anteil von Rüs­tungsaus­gaben am Brutto-​Inlandsprodukt der USA beträgt mit 4% auch nicht ohne Grund mehr als dop­pelt so viel wie bei anderen west­lichen Indus­trielän­dern. Und den­noch ist das Mil­itär­bud­get bei Haushalts­de­bat­ten im Kongress ein Tabuthema. Die Oppo­si­tion, die jegliche Erhöhun­gen bei andern Haushalt­stiteln zum Anlass nimmt, um mit der Regierungspoli­tik streng­stens ins Gericht zu gehen, hält sich beim Mil­itärhaushalt mit Kri­tik merk­lich zurück, es sei denn wegen zu geringer Steigerungsraten. Auch in den Medien und in der Gesellschaft finden trotz der ungewöhn­lich hohen Rüs­tungsquote keine sub­stanziellen Debat­ten statt.

Wie ist aber diese Gle­ichgültigkeit der Amerikaner gegenüber ihrem Rüs­tung­shaushalt zu erk­lären? Kön­nte es sein, dass die USA auch ihre Rüs­tungsaus­gaben mit­tels Staatsver­schul­dung und Geld­druck decken?Der US-​Anthropologe und Vor­denker der Occupy-​Bewegung, David Grae­ber, behauptet das jeden­falls in seinem viel beachteten Buch „Schulden“. „Die Staatss­chulden der Vere­inigten Staaten seit 1790“, so Grae­ber, „sind Kriegss­chulden.“[5] Für diesen sehr lan­gen Zeitraum mag diese Aus­sage über­trieben sein, für die let­zten hun­dert Jahre trifft sie aber, wie die Angaben der fol­gen­den Tabelle 1 ver­an­schaulichen, auf jeden Fall zu.

Tabelle 1

US-​Verteidigungsetat und –Aus­landsver­schul­dung seit 1900
in Mil­liar­den Dol­lar Jahresdurchschnitt

Dekaden

US-​Verteidigungsetat

Staats-​verschuldung

Beteili­gung an

Kriegen

1900-​09

kA

2.3

191019

kA

6.8

192029

kA

22.83

1. Weltkrieg

193039

kA

35.35

194049

33.350

182.71

2. Weltkrieg

195059

41.496

269.45

Kore­akrieg

196069

60.280

323.82

Viet­namkrieg

197079

88.997

547.27

198089

231.612

924.05

Jugoslaw­ienkrieg

199099

272.495

4635.56

Irakkrieg

20002009

465.363

7888.10

Kriege in Afghanistan, Irak, Libyen

2010

693.498

13528.81

Kriegs­fol­gekosten

2011

705.557

14762.22

Kriegs­fol­gekosten

2012

677.856

16050.92

Kriegs­fol­gekosten

2013

660.037

17249.24

Kriegs­fol­gekosten

Quellen: Das Schulden-​Porträt der USA 17912013. www​.sgipl​.org.; Fis­cal Year 2014. His­tor­i­cal Tables. Bud­get of the U.S. Gov­ern­ment, Wash­ing­ton DC., S. 143f-​144, und eigene Berechnungen.

Für den ein­deuti­gen kausalen Zusam­men­hang zwis­chen Kriegen, der Steigerung der Rüs­tungsaus­gaben und der Staatsver­schul­dung gibt es zwei wesentliche Gründe: Erstens kön­nen Regierun­gen — nicht nur in den USA — Kriege durch Staatsver­schul­dung leichter akzep­tanzfähig machen, da man so die Kriegskosten auf mehrere Gen­er­a­tio­nen verteilen kann. Die Finanzierung der Kriegskosten durch direkte Steuern würde dage­gen die Bevölkerun­gen gegen jeden Krieg mobil­isieren. So wären die bei­den Weltkriege ohne Staatsver­schul­dung gar nicht möglich gewe­sen. Auch die USA haben ihre Beteili­gung an diesen Kriegen durch Staatsver­schul­dung finanziert. Da die Vere­inigten Staaten vor allem seit dem ersten Weltkrieg bis heute per­ma­nent an zahlre­ichen Kriegen beteiligt waren, ist ihre Staatsver­schul­dung fol­glich kumu­la­tiv angewach­sen. Zweit­ens verur­sachen Kriegss­chulden generell expo­nen­tielles Schuldenwach­s­tum. Denn Rüs­tungsin­vesti­tio­nen sind, im Unter­schied zu Investi­tio­nen in Infra­struk­tur, die neue Wertschöp­fung und entsprechend neue Steuere­in­nah­men gener­ieren, unpro­duk­tiv und bewirken, ökonomisch gese­hen, eine Kap­i­talver­nich­tung. Die Staatsver­schul­dung der USA stieg jeden­falls jedes Mal, wie die Daten in der Tabelle 1 bele­gen, bei einem neuen Krieg sprung­haft an.

Wie man jedoch unschwer erken­nen kann, nehmen die Steigerungsraten der Staatsver­schul­dung der USA einen ras­an­ten Ver­lauf, seit der Dol­lar mit der Entste­hung des Bretton-​Woods-​Systems 1944 zur Leitwährung aufgestiegen ist. Noch ras­an­ter stieg die Staatsver­schul­dung nach dem Zusam­men­bruch dieses Währungssys­tems in 1973, somit nach Eli­m­inierung der goldgedeck­ten Reg­ulierung. Inner­halb von 7Jahren ver­dop­pelt sich die US-​Staatsverschuldung von 466 in 1973 auf 909 Mrd.Dollar. Es ist offen­sichtlich: das fak­tis­che Monopol am Welt­geld erk­lärt, wieso eine Volk­swirtschaft wie die der USA, die in vie­len Bere­ichen in der Weltwirtschaft nicht wet­tbe­werb­s­fähig ist und chro­nisch defiz­itäre Han­dels­bi­lanzen aufweist, nicht nur der­ar­tige Megapro­jekte finanzieren kann, son­dern auch einen rel­a­tiv sta­bilen Finanzsek­tor aufweist und eine Währung besitzt, die wie ein Mag­net Kap­i­talüber­schüsse aus der ganzen Welt an sich ziehen kann. Damit entsteht aber die Frage, wie es den USA gelun­gen ist, den Dol­lar trotz dessen infla­tionärem Wesen zur glob­alen Leitwährung zu machen, der sämtliche inter­na­tionalen Player bis heute großes Ver­trauen schenken.

Ölgedeckte statt goldgedeckte Leitwährung

Zur plau­si­blen Beant­wor­tung der oben aufge­wor­fe­nen Frage, wird ein kurzer Exkurs in die Geschichte der US-​Währung unumgänglich: bis zur ersten Weltwirtschafts– und Finanzkrise 1927 war das britis­che Pfund die global anerkan­nte Leitwährung, die während des zweiten Weltkrieges diese Funk­tion an die Währung der USA, der neuen Wirtschafts– und Hege­mo­nial­macht, abtreten musste. Großbri­tan­nien und andere europäis­che Volk­swirtschaften wur­den auf Grund von immensen Kriegsaus­gaben die größten Schuld­ner­staaten, während die USA die Posi­tion der Haupt­gläu­biger­na­tion ein­nah­men. Im Abkom­men von Bret­ton Woods von 1944 wur­den dieser Ver­schiebung der Kräftev­er­hält­nisse Rech­nung getra­gen und der US-​Dollar zur neuen gold­basierten Leitwährung mit 35 Dol­lar für je eine Unze Gold fest­geschrieben. Um den Welthandel anzukurbeln, mussten Staaten seit diesem Datum Dol­lar­reser­ven anle­gen, während die US-​Zentralbank zur Sta­bil­isierung des Dol­lar­w­ertes gezwun­gen wurde, ihre Gol­dreser­ven drastisch zu ver­größern. Um einer ungezügel­ten Dol­larver­mehrung einen Riegel vorzuschieben, wurde im sel­ben Abkom­men die US-​Zentralbank verpflichtet, zu jedem Zeit­punkt die Dol­lar­reser­ven anderer Staaten gegen Gold aus­tauschen zu müssen.

Ungeachtet dieser im Abkom­men einge­bauten Brem­sen haben die USA ihre bewährte Poli­tik der Staatsver­schul­dung durch Aus­gabe von Staat­san­lei­hen fort­ge­setzt und damit den Viet­namkrieg in den 1960er Jahren mit­fi­nanziert. Doch flog der Schwindel dank sink­enden Dol­lar­w­ertes auf den Märk­ten auf. Wohl wis­send, dass die USA den Viet­namkrieg auf Kosten von Staaten mit Dol­lar­reser­ven führten, been­dete als erste die franzö­sis­che Regierung – die sich ohne­hin ihrer Unab­hängigkeit von den USA rühmte — ihre Zurück­hal­tung und trans­portierte einen beträchtlichen Teil ihrer Dol­lar­reser­ven in die USA und zwang die US-​Zentralbank entsprechend dem Bretton-​Woods-​Abkommen zur Rück­gabe des Gegen­werts in Gold. Diese Inter­ven­tion Frankre­ichs war der Anfang vom Ende der Gold­bindung des Dol­lars. Zunächst ent­band Richard Nixon, der amtierende US-​Präsident, 1971 die Gold­bindung des Dol­lars, dann brach auch 1973 das Bretton-​Woods-​Abkommen endgültig zusam­men. Dadurch brach Amerikas Währungs– und Finanzsys­tem jedoch keineswegs zusam­men. Ganz im Gegen­teil und zum Staunen der Fach­welt hat nicht nur der Dol­lar seine Funk­tion als Welt­geld gestärkt. Auch die USA selbst unter­mauerten ihre Hege­mo­ni­al­po­si­tion — wieso eigentlich?

Erstens führte die Beendi­gung der kün­stlichen Dol­la­raufw­er­tung bei fes­ten Wech­selkursen im Bretton-​Woods-​System zu einem großen, ökonomisch jedoch ungerecht­fer­tigten Auf­schwung der amerikanis­chen Exporte und so auch der steigen­den Dol­lar­nach­frage. Zweit­ens hat­ten jene Staaten mit beträchtlichen Dol­lar­reser­ven die Möglichkeit, oder richtiger keine andere Wahl, als ihre Dol­larguthaben zur Ver­mei­dung von Ver­lus­ten in US-​Staatsanleihen anzule­gen, allerd­ings um den Preis einer dauer­haften Bindung ihres Schick­sals an die US-​Ökonomie. Drit­tens nutzten die USA die mil­itärische Abhängigkeit vieler Staaten aus, um diese zum Ankauf von US-​Anleihen zu bewe­gen. Tat­säch­lich tauschten die Bun­desre­pub­lik Deutsch­land, Japan, Tai­wan und Süd­ko­rea, die nach dem zweiten Weltkrieg und dem Kore­akrieg alle­samt zu US-​Militärprotektoraten gewor­den waren, ihre Devisen­re­ser­ven in US-​Staatsanleihen um, was David Grae­ber als Beleg für seine Fest­stel­lung anführt, dass „die neue glob­ale Währung noch fes­ter in der mil­itärischen Macht ver­ankert ist als die alte.“[6] Und viertens — dies ist der aller­wichtig­ste Grund -, weil sich inzwis­chen gän­zlich unbe­merkt und natur­wüch­sig eine andere Stütze für die Dol­lar­w­ert­sta­bil­ität in der Weltökonomie her­aus­ge­bildet hatte: gemeint ist der Han­del mit Öl auf Dol­lar­ba­sis als Folge der nach dem zweiten Weltkrieg ras­ant steigen­den glob­alen Ölnachfrage.

Das Öl ist wie das Gold selbst ein erschöpf­barer Rohstoff und tendiert daher langfristig eben­falls zur Wert­steigerung. Das Öl war und ist auch weit­er­hin der Schmier­stoff für die Weltwirtschaft. Das Wirtschaftswach­s­tum war über ein halbes Jahrhun­dert an das Wach­s­tum des Ölkon­sums gekop­pelt. Erst steigende Ölpreise und steigende Energieef­fizienz entkop­pel­ten diesen Gle­ich­schritt. Öl ist auch das einzig homo­gene Gut mit steigen­dem Anteil am Welthandel und wird von allen Staaten der Welt, mit Aus­nahme der Ölex­por­teure selbst, nachge­fragt. So hat­ten sich Amerikas Währung und der Ölhan­del bere­its in den 1960er Jahren längst zusam­menge­fun­den — der Über­gang von der Gold­bindung hin zur Ölbindung kon­nte daher in den 1970 er Jahren naht­los und beinahe unbe­merkt stat­tfinden. Der erste Ölpreis­sprung von ca. 2 auf über 10 Dol­lar pro Fass in 1974 hatte über Nacht den Anteil des Öls am Welthandel ohne­hin ver­fünf­facht. Seit Anfang des 21. Jahrhun­derts und nach einer län­geren Peri­ode von Ölniedrig­preisen bewegt sich der Ölpreis auf dem his­torischen Hoch zwis­chen 100 bis 150 Dol­lar pro Fass. Mit der Ölpreis­steigerung stieg auch, wie die unten­ste­hende Tabelle 2 ver­an­schaulicht, der Anteil des Öls am Welthandel und stärkte dadurch aber­mals die Posi­tion des Dol­lars als das bisher unum­strit­tene Weltgeld.

Tabelle 2

1970

2001

2011

Öl Wel­t­ex­porte Bar­rel pro Tag

25.363808

44.787000

54.580000

Ölpreis Dol­lar pro Barrel

2.0

22,8

111,3

Der Wert der Weltöl­ex­porte pro Tag

Mil­liar­den Dollar

0.050.72761

1021.14

6074.75

Der Wert der Weltöl­ex­porte pro Jahr Mil­liar­den Dollar

18.52

373

2217

Der Wert der Wel­t­ex­porte pro Jahr Mil­liar­den Dollar

317

6191

18217

Anteil Weltöl­ex­porte an den Wel­t­ex­porten in %

1.7

6

12

Quellen: World Trade Orga­ni­za­tion 19502012; BP Sta­tis­ti­cal Review of World Energy und eigene Berechnungen

Die Dol­larschwemme entlud sich nach Richard Nixons Aufhe­bung der Gold­bindung des Dol­lars also keineswegs, wie all­ge­mein erwartet wor­den war, in Hyper­in­fla­tion. Mehr noch: die USA waren dadurch sogar jene völk­er­rechtlichen Fes­seln los­ge­wor­den, die das Bretton-​Woods-​Abkommen dem Dol­lar und ihrer Staatsver­schul­dungspoli­tik aufer­legt hatte. For­tan hat­ten die USA freie Bahn, mit der Ver­gabe von Staat­san­lei­hen und der Dol­lar­men­genex­pan­sion erst recht loszuschla­gen und ihr steigen­des Haushalts­de­fizit zu Las­ten der übri­gen Welt zu finanzieren. Als Mut­ter­land des Mon­e­taris­mus trat also mit ihrer Poli­tik der schranken­losen Geld­ver­mehrung genau das Gegen­teil von dem ein, was die USA andern Staaten direkt oder über den IWF unter­sagten. Dabei sollte aber das Welt­geld als ein öffentliches Gut ange­se­hen wer­den (wie z. B. die Welt­meere). Seine Funk­tion müsste daher darin beste­hen, für den rei­bungslosen inter­na­tionalen Han­del die mon­etäre Grund­lage zu liefern.

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Durch die Aufhe­bung der Gold­bindung des Dol­lars und den natur­wüch­si­gen Über­gang zur Öldeck­ung des Dol­lars, erlangten die USA jedoch das ein­ma­lige Priv­i­leg, sich erst­mals in der Geschichte der Weltwirtschaft von allen poli­tis­chen Kon­trollen und Einen­gun­gen durch die Welt­ge­mein­schaft zu befreien und dadurch die Weltwährung ganz im nationalen Inter­esse einzuset­zen. Dieses verdeckte Monopol in Verbindung mit ihrer Hege­mo­nial­macht schuf so die Grund­lage für die Staatsver­schul­dungspoli­tik der USA, die Hud­son ganz zu Recht „Schulden­im­pe­ri­al­is­mus“ nan­nte. Die skru­pel­lose Ver­gabe von Staat­san­lei­hen durch das US-​Finanzministerium erscheint in der Außen­wahrnehmung zwar als legit­ime Hand­lung eines sou­verä­nen Staates, in Wirk­lichkeit ist sie aber die unsicht­bare Form einer impe­ri­al­is­tis­chen Aneig­nung der glob­alen Kaufkraft, die seit der Aufhe­bung des Gold­stan­dards neuen Auf­schwung erhielt und die bis heute andauert.

Öl und das „Pro­jekt des amerikanis­chen Jahrhunderts“

Doch kön­nen die USA, die in der ganzen Welt geschaf­fene Kaufkraft ein­fach so schlucken, solange der Ölhan­del in Dol­lar abgewick­elt und solange auch der Sta­tus der US-​Währung durch andere poten­tielle Währun­gen, wie dem Euro oder Chi­nas Ren­minbi, nicht gefährdet würde. Eine Unter­suchung der Ölex­port­poli­tik der wichtig­sten Ölstaaten zeigt jedoch, dass keiner von ihnen ern­sthaft die Absicht hegt, ihr Öl in Euro oder in Ren­minbi zu verkaufen. Sämtliche Ankündi­gun­gen Sad­dam Hus­seins in dieser Rich­tung haben sich wie viele seiner Dro­hun­gen als Bluff erwiesen. Auch die Islamis­che Repub­lik Iran wagte zu keinem Zeit­punkt ern­sthaft, ein solches Ansin­nen in die Tat umzuset­zen. Tat­säch­lich wäre auch ein einziger Ölstaat, ja auch mehrere von ihnen zusam­men, außer­stande, das große Risiko eines Angriffs auf den Dol­lar, jenes monop­o­lis­tis­chen Priv­i­legs der USA auf sich zu nehmen. Saudi-​Arabien und andere Öldy­nas­tien mit ihrem beträchtlichen Anteil am glob­alen Ölhan­del von über 25 Prozent gehören ohne­hin zu den ergeben­sten Ver­bün­de­ten der USA im Mit­tleren Osten.

Eine akute Bedro­hung läge allerd­ings vor, wenn alle Ölstaaten, zusam­men mit China, und vielle­icht auch Rus­s­land sich in einer Antidollar-​Allianz ver­bün­de­ten. Zwar ist das aus heutiger Sicht reine The­o­rie, den­noch als solche auch brisant genug, um die Haupt­prof­i­teure des US-​Monopols, den militär-​industriellen Kom­plex, den Finanzsek­tor der USA und die diese Kräfte repräsen­tieren­den US-​Neokonservativen zu beun­ruhi­gen. Als mächtig­ste Konkur­renz der USA, kann es sich China tat­säch­lich nicht leis­ten, durch seine gigan­tis­chen Dol­lar­reser­ven von 16.000 Mil­liar­den Dol­lar auf Dauer in gefährlicher Abhängigkeit von der konkur­ri­eren­den Welt­macht zu bleiben. Für Chi­nas Sou­veränität und Sicher­heit ist von exis­ten­zieller Bedeu­tung, zu allererst seine Dol­lar­reser­ven abzubauen und langfristig seine eigene Währung als zweite Weltwährung zu etablieren. Auch poli­tisch und ökonomisch sou­veräne Ölstaaten haben – ratio­nale Hand­lun­gen unter­stellt – ein berechtigtes Inter­esse, ihre Abhängigkeit vom Dol­lar und der US-​Politik zu reduzieren und die Frei­heit zu besitzen, ihr Öl, um die eige­nen Ölein­nah­men zu opti­mieren, nicht nur in Dol­lar, son­dern auch in Euro oder auch in Ren­minbi zu verkaufen.

Man stelle sich nur ein­mal vor, der Dol­lar wäre nicht länger die einzige Weltwährung und er hätte seine Sta­bil­ität notwendi­ger­weise im schwungvollen inter­na­tionalen Wet­tbe­werb mit Euro und Ren­minbi längst einge­büßt. Das über­schüs­sige inter­na­tionale Kap­i­tal würde dann im beträchtlichen Umfang von den USA abge­zo­gen und in der Euro– oder Ren­minbi Zone investiert wer­den. Die bish­erige US-​Politik der Staatsver­schul­dung durch die Aus­gabe von Staat­san­lei­hen geri­ete ins Stocken, das im über­frak­tionellen Kon­sens beste­hende Tabu, an den Mil­itäraus­gaben nicht zu rüt­teln, ver­löre seine Gültigkeit. Dann bliebe den US-​Regierungen auch keine andere Wahl, als das unver­hält­nis­mäßig hohe Mil­itär­bud­get drastisch, sagen wir inner­halb von weni­gen Jahren, auf die Hälfte zu senken, um ihre chro­nis­chen Haushalts­de­fizite abzubauen. Was würde sich dann aus dieser neuen Lage aber für die Hege­mo­nial­macht USA ergeben?

Inner­halb der USA würde eine heftige Debatte über Sinn und Unsinn der Rüs­tungsaus­gaben und der weltweiten Mil­itärka­paz­itäten, ein­schließlich der über 800 Stützpunkte, mit der Aus­sicht stat­tfinden, die USA mas­siv und zwar auf ein Maß zu ent­mil­i­tarisieren, das ihrer tat­säch­lichen ökonomis­chen Stärke entspräche. So wären dann die USA nicht länger die „einzig verbliebene Welt­macht“, son­dern eine von mehreren Welt­mächten. Dadurch wür­den auch neuar­tige Macht-​Strukturen und –Gle­ichgewichte denkbar: Asien würde z.B. zusam­men­rücken. Diese Region wie aber auch der Mit­tlere Osten, Südamerika, Afrika und auch Europa hät­ten echte Chan­cen, sich in regional koop­er­a­tive und gemein­same Sicher­heit­sar­chitek­turen zusam­men zu finden. Dann ver­lören auch nation­al­is­tis­che und ras­sis­tis­che Ressen­ti­ments und Feind­bilder stark an Zugkraft. Vielle­icht würde auch der Finanzsek­tor auf ein sin­nvolles Maß schrumpfen und wür­den sichauch die Voraus­set­zun­gen für eine gerechtere Verteilung des Einkom­mens deut­lich verbessern. Kurzum, wir träfen auf eine Welt mit mehr Gerechtigkeit, weniger Finanzspeku­la­tion, eine Welt, die demokratis­cher und auch friedlicher gewor­den ist. Die Ver­lierer eines solchen Szenar­ios wären allerd­ings der militär-​industrielle Sek­tor, der Finanzsek­tor und die US-​Neokonservativen.

Vor dem Hin­ter­grund dieses denkbaren Szenar­ios, erscheinen die großen poli­tis­chen Pro­jekte und sämtliche außen­poli­tis­che Aktiv­itäten der US-​Neokonservativen — die authen­tis­chsten Vertreter des MIK und Finanzsek­tors — in einem neuen Licht. Zu diesen Pro­jek­ten gehört in erster Linie das von ihnen bere­its in den 1990er Jahren entwick­elte Pro­jekt „Amerikas neues Jahrhun­dert“ und dessen Herzstück, die Schaf­fung des „Greater Mid­dle East“. Welche Bedeu­tung diesen Pro­jek­ten zukom­men soll, erfahren wir am besten aus den offiziellen Tex­ten und Ver­laut­barun­gen der Neokon­ser­v­a­tiven selbst, aus denen im fol­gen­den einige Pas­sagen zitiert werden:

„Die Geschichte des 20. Jahrhun­derts sollte uns gelehrt haben, dass es wichtig ist, die Umstände zu gestal­ten, bevor es zu Krisen kommt, und Bedro­hun­gen ent­ge­gen­zutreten noch bevor sie dringlich gewor­den sind. Die Geschichte des voraus­ge­gan­genen Jahrhun­derts sollte uns gelehrt haben, dass wie uns der Sache der amerikanis­chen Führungsrolle ver­schreiben müssen. [ ] Gegen­wär­tig haben die Vere­inigten Staaten keinen Rivalen. Amerikas große Strate­giepla­nung sollte darauf zie­len, diese vorteil­hafte Posi­tion soweit wie möglich in die Zukunft hinein nicht nur zu erhal­ten, son­dern sie auszubauen. Es gibt allerd­ings poten­tiell mächtige Staaten, die mit der gegen­wär­ti­gen Lage unzufrieden sind und die die Sit­u­a­tion daher gerne verän­dern wür­den. Um also die gegen­wär­tige für die USA wün­schenswerte strate­gis­che Sit­u­a­tion aufrechtzuer­hal­ten, ist eine global mil­itärische Über­legen­heit heute und in der Zukunft erforder­lich…[…]
Obwohl die inter­nen Sen­si­bil­itäten in Saudi-​Arabien es gebi­eten, dass die dor­ti­gen US-​Streitkräfte nominell rotieren, ist es doch offen­sichtlich gewor­den, dass es sich dort um einen dauer­haften Ein­satz han­delt. Aus amerikanis­cher Sicht bleibt die Bedeu­tung solcher Mil­itärstützpunkte erhal­ten, auch wenn Sad­dam Hus­sein von der Szene ver­schwinden sollte. Auf lange Sicht kann es sich her­ausstellen, dass der Iran eine große Bedro­hung für amerikanis­che Inter­essen am Golf darstellt, so wie es zuvor beim Irak der Fall war. Aber selbst für den Fall, dass sich die Beziehun­gen mit dem Iran verbessern soll­ten, bliebe die Aufrechter­hal­tung der Voraus-​Streitkräfte am Golf ein wesentliches Ele­ment der US-​Streitkräfte in Anbe­tra­cht der langfristi­gen Inter­essen in der Region“[7].

In unver­schlüs­sel­ter Sprache über­setzt, streben dem­nach die US-​Neokonservativen nach Fes­ti­gung und Aus­bau von monop­o­lis­tis­chen Priv­i­legien, die Amerika im let­zten Jahrhun­dert erzielt hatte. Aus ihrer Sicht sind Bedro­hun­gen der Rivalen jedoch nur durch mil­itärische Macht möglich. Es ist offen­sichtlich, Amerika solle dem­nach Ostasien (China) und den Mit­tleren Osten im neuen Jahrhun­dert in ihrem Visier behal­ten, um Bedro­hun­gen (beispiel­sweise die sich anbah­nen­den Annäherun­gen zueinan­der, lange bevor sie vol­l­zo­gen sind) zu vere­it­eln und die Ver­hält­nisse zu eige­nen Gun­sten zu verän­dern. In den Doku­menten von „Amerikas neuem Jahrhun­dert“ ist von der Her­stel­lung der Bedin­gun­gen für Frieden an keiner einzi­gen Stelle die Rede, umso mehr jedoch von Kriegen, vom Aus­bau der Mil­itärstützpunkte in der ganzen Welt, von mil­itärischer Über­legen­heit zu Lande, zu Wasser und in der Luft, von nuk­learen Vertei­di­gungss­childen in der Erdat­mo­sphäre und vor allem von der weit­eren Erhöhung der Rüs­tungsaus­gaben.

Trotz 830 Mil­itärstützpunk­ten über­all in der Welt, sollen nach Vorstel­lun­gen der US-​Neokonservativen noch weit­ere, vor allem in Ostasien und Afrika, ein­gerichtet wer­den. Tat­säch­lich ist seit dem Sieg von George W. Bush 2001 die Hand­schrift der Pro­tag­o­nis­ten von „Amerikas neuem Jahrhun­derts“ in Amerikas außen­poli­tis­chen Aktiv­itäten klar erkennbar. Die treibende Kraft hin­ter den Neokon­ser­v­a­tiven, in deren Gedanken­welt das Credo der mil­itärischen Machtver­mehrung uner­schüt­ter­lich ver­wurzelt zu sein scheint, ist der militär-​industrielle Kom­plex. Er stellt die größte Gefahr für die Demokratie in den USA und im Westen sowie für den Frieden in der Welt dar.

Schon Dwight Eisen­hower hatte in seiner Abschied­srede am 17 Jan­uar 1961 vor diesem Unge­heuer gewarnt, das inzwis­chen in allen gesellschaftlichen Sek­toren der USA, in der Wirtschaft, in wis­senschaftlichen Ein­rich­tun­gen und in der amerikanis­chen Kul­tur tiefe Wurzeln geschla­gen hat.

„Diese Kom­bi­na­tion eines gewalti­gen mil­itärischen Estab­lish­ments und einer mächti­gen Rüs­tungsin­dus­trie ist neu in der amerikanis­chen Geschichte […]. In den Gremien der Regierung müssen wir der Ausweitung, ob aktiv oder pas­siv, des unbefugten Ein­flusses des militärisch-​industriellen Kom­plexes vor­beu­gen. Das Poten­zial für einen ver­heeren­den Anstieg der Macht an falschen Stellen besteht und wird beste­hen bleiben. Wir dür­fen niemals zulassen, dass diese ein­flussre­iche Allianz unsere Frei­heiten und demokratis­chen Prozesse gefährdet. Wir dür­fen nichts als selb­stver­ständlich betra­chten.“

http://fc02.deviantart.net/fs14/f/2007/085/b/a/The_Fruit_of_the_Imperialism_by_Latuff2.jpgDieser mächtige Kom­plex ringt seit dem Ende der Block­kon­fronta­tion allerd­ings um seine For­tex­is­tenz und setzt alles in Bewe­gung, um Amerikas Hege­monie dauer­haft zu machen. Tat­säch­lich ist die Welt seit diesem Datum nicht, wie man sehn­süchtig erwartet hatte, sicherer und friedlicher, son­dern — wie zu Anfang des let­zten Jahrhun­derts — unsicherer und kriegerischer gewor­den. Der Islam und Dik­ta­toren wie Sad­dam Hus­sein wur­den ziem­lich rasch an die Stelle der abhan­den gekomme­nen kom­mu­nis­tis­chen, zur neuen Bedro­hung für Amerika und den Westen hochstil­isiert. Der Mit­tlere Osten entwick­elte sich for­tan zu einer Region, deren Zukunft auf vielfältige Weise mit dem Schick­sal der US-​Hegemonie verknüpft wor­den ist.

Amerikas Inter­esse an dieser Region ist so alt wie die riesi­gen Ölfunde, jedoch nicht in erster Linie wegen der eige­nen Ölver­sorgung, wie fälschlicher­weise gemein­hin angenom­men wird. Die USA waren dank eigener Energier­es­sourcen schon immer in der Lage, von Ölimporten unab­hängig zu sein. Sie waren Anfang des let­zten Jahrhun­derts in dieser Hin­sicht Selb­stver­sorger und sie sind gegen­wär­tig im Begriff, durch die flächen­deck­ende Anwen­dung der Fracking-​Technik erneut Selb­stver­sorger zu wer­den. Als neue Hege­mo­nial­macht nach dem zweiten Weltkrieg erkan­nten die Amerikaner jedoch rasch, dass sie rival­isierende Welt­mächte von sich abhängig machen kön­nen, wenn sie den Mit­tleren Osten kon­trol­lierten.

Ursprünglich etablierten die USA zusam­men mit Saudi-​Arabien, ihrem Hauptver­bün­de­ten in der Region, ein glob­ales Ölver­sorgungsregime, das dem Westen, China und allen BRICS-​Staaten Energiesicher­heit gewähren sollte. In diesem Regime sorgte Saudi-​Arabien für eine ständige Über­pro­duk­tion. Dank diesem durch die USA poli­tisch ges­teuerten Sys­tem erfreuten sich sowohl die west­lichen Ver­bün­de­ten wie aber auch die Rivalen der USA, und dies trotz zahlre­icher poli­tis­chen Tur­bu­len­zen während der gesamten zweiten Hälfte des let­zten Jahrhun­derts, einer störungs­freien Ölver­sorgung zu niedri­gen Ölpreisen. Doch seit die neuen ökonomis­chen Riesen China und Indien Anfang des 21. Jahrhun­derts mit ihrem schier uner­schöpflichen Energiehunger began­nen, ihre Ver­sorgung selbst in die Hand zu nehmen, brach das us-​beherrschte Ölregime irre­versibel zusam­men, die Märkte richteten sich for­tan nach den Geset­zen der Preis­bil­dung bei erschöpf­baren Gütern, Ölpreise stiegen drastisch an, um sich anschließend an den Mark­t­mech­a­nis­men zu ori­en­tieren.[8] Haben die USA mit dem Ver­lust ihrer Möglichkeit, den Ölpreis zu steuern, einen ihrer hege­mo­ni­alpoli­tis­chen Hebel ver­loren, so kon­nten sie ger­ade dadurch ihre Hege­mo­ni­al­po­si­tion auf andere Weise drastisch stärken. Denn hohe Ölpreise vervielfachten, wie oben gezeigt, den Anteil des Ölhan­dels am Welthandel und bewirk­ten, dass auch die Nach­frage nach Dol­lars und US-​Staatsanleihen mas­siv anstieg und der Dol­lar als Leitwährung für abse­hbare Zeit unschlag­bar blieb. Um jedoch die monop­o­lis­tis­che Option, die Abwick­lung des glob­alen Ölhan­dels in Dol­lar, für weit­ere Jahrzehnte aufrechtzuer­hal­ten, bedarf es eines Mit­tleren Ostens, der von den USA durch Regime Changes über­all dort, wo dies nötig erscheint, möglichst voll­ständig kon­trol­liert wird, um eventuelle Antidollar-​Allianzen im Keim ersticken zu kön­nen. Das neokon­ser­v­a­tive Pro­jekt „Amerikas neues Jahrhun­dert“ mit der Schaf­fung eines weitest­ge­hend den USA unter­ge­ord­neten Greater Mid­dle Easts, zielte allem Anschein nach in diese Richtung.

Aus der Per­spek­tive der Neokon­ser­v­a­tiven wäre die Zer­split­terung von wider­streben­den Machtzen­tren, eth­nis­che und religiöse Kon­flikte, Bürg­erkriege, Chaos, tiefes Mis­strauen im Mit­tleren Osten der Ide­alzu­s­tand, um nach der bewährten Devise teile und herrsche eigene Ziele durchzuset­zen. Denn die Ölquellen wür­den, wie man gegen­wär­tig im von täglichen Ter­ro­ran­schlä­gen und Chaos gelähmten Irak beobachten kann, weit­er­sprudeln, da sämtliche Kon­tra­hen­ten Petrodol­lars benöti­gen, um sich Waf­fen zu besor­gen. So wäre keine Macht auf Jahrzehnte in der Lage, über­haupt zu erwä­gen, den Ölhan­del in einer anderen Währung als in Dol­lar abzuwick­eln. Tat­säch­lich erleben wir gegen­wär­tig gewaltige Verän­derun­gen in dieser Rich­tung. Inzwis­chen haben in Afghanistan, im Irak und in Libyen Regime Changes stattge­fun­den. In allen diesen Län­dern herrschen Zwi­etra­cht und Mis­strauen, Stammeskon­flikte, ter­ri­to­ri­ale Abspal­tun­gen ent­lang eth­nis­cher Gren­zen, gegen­seit­iger Ter­ror von Sun­niten gegen Schi­iten und umgekehrt ste­hen auf der Tage­sor­d­nung. Und Al Kaida, das nach offizieller Lesart, der Haupt­grund für Amerikas „Kampf gegen den Ter­ror“ darstellen sollte, hat eine noch nie da gewe­sene Stärke erre­icht. Kaum hatte nach dem Sturz von Sad­dam Hus­sein Bush junior im Mai 2003 vom Deck des US-​Flugzeugträgers Abra­ham Lin­coln verkün­det „mis­sion accom­plished“, ver­bre­it­eten die US-​Neokons die „frohe“ Botschaft, als näch­stes sei der Iran dran. Der offene Atom­kon­flikt mit Iran datiert tat­säch­lich von Mai des­sel­ben Jahres — nur ein Zufall? Die US-​Armee set­zte sich im Irak jedoch fest, Amerikas Pro­jekt „Greater Mid­dle East“ tritt seit­dem auf der Stelle. Ihr Ziel haben die US-​Neokons jedoch bis heute nicht aufgegeben. Ein Regime Change im Iran steht weiter auf ihrer Agenda, die mas­sive Aufrüs­tung Saudi Ara­bi­ens und anderer ara­bis­chen Golf­s­taaten und das Schüren des Bürg­erkrieges in Syrien, trägt ihre Hand­schrift. Oba­mas Ver­suche im Atom­kon­flikt mit Iran und im Syrienkon­flikt gegen­zus­teuern, bewe­gen sich auf Messers Schneide, weil die Neokons mit ihrer Mehrheit im Kongress diese Poli­tik des US-​Präsidenten über­all, wo sie kön­nen, zu tor­pedieren versuchen.

Dabei ver­folgt genau genom­men auch Obama das Ziel, einen Regime Change, allerd­ings im Unter­schied zu den Neokon­ser­v­a­tiven, nicht durch einen Krieg, son­dern durch eine Poli­tik des „Wan­dels durch Annäherung“ her­beizuführen. Durch einen Deal mit der liberal-​kapitalistischen Elite der Islamis­chen Repub­lik, hofft Obama, Iran in die eigene Hege­mo­ni­alpoli­tik einzu­binden und dadurch die immensen Vorteile des Dollar-​Imperialismus für die USA zu erhal­ten, deren Kosten und Risiken aber drastisch zu reduzieren. Die diplo­ma­tis­chen Anstren­gun­gen zur Bei­le­gung des Syrienkon­flikts und des Nuk­lear­kon­flikts mit Iran gehen in diese Rich­tung. Ob jedoch diese Rech­nung aufgeht, lässt sich schwer voraus­sagen. Denn sämtliche poten­tiellen Ver­lierer dieser Poli­tik, näm­lich (1) die gegen­wär­tig im Iran herrschende Allianz des konservativ-​islamischen Lagers und des Mil­itärs, ferner (2) Israels zion­is­tis­che Elite und (3) das aus Neokon­ser­v­a­tiven und mil­itärindus­triellem Kom­plex beste­hende Bünd­nis in den USA, haben sich auf unter­schiedliche Weise schon jetzt gegen Oba­mas san­fte Poli­tik in Stel­lung gebracht und lassen gegen­wär­tig nichts unver­sucht, um diese Poli­tik zum Scheit­ern zu brin­gen. So oder so dürfte ein Rück­zug der USA aus dem Mit­tleren Osten, wie mit Hin­weisen auf die sink­ende Abhängigkeit von Ölimporten in let­zter Zeit häu­figer behauptet wird, ziem­lich aus­geschlossen sein. Oba­mas Ankündi­gung einer stärk­eren mil­itärischen Hin­wen­dung zum asiatisch-​pazifischen Raum bei seiner Regierungserk­lärung nach seiner Wieder­wahl ist aller Wahrschein­lichkeit nach eine vorauss­chauende Abschreck­ungs­maß­nahme gegen China. Denn Chi­nas Dol­larab­hängigkeit stellt zweifel­sohne eine gravierende Bedro­hung für seine Sicher­heit dar. Über kurz oder lang hat diese neue Super­ma­cht keine andere Wahl, als das amerikanis­che Monopol an der Leitwährung aktiv in Frage zu stellen und die rote Linie der USA zu überschreiten.

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Die Alter­na­tive: Glob­ale Energiewende und Vielfalt von Leitwährungen

So oder so, tre­f­fen gegen­wär­tig alle Stränge des „Dollar-​Imperialismus“ im Mit­tleren Osten zusam­men. Der amerikanis­che militär-​industrielle Kom­plex ist Haupt­prof­i­teur von „Amerikas neuem Jahrhun­dert“. Hier tobt sich gegen­wär­tig ein nuk­leares wie kon­ven­tionelles Wet­trüsten aus, das das Wet­trüsten der 1970er Jahre mit drei daraus resul­tieren­den Golfkriegen in den Schat­ten stellt. Während nun­mehr mit dem Recy­cling von Petrodol­lars gegen Waf­fen erneut ein gefährlicher Teufel­skreis voll im Gange ist und jed­erzeit einen Flächen­brand in der ganzen Region aus­lösen kön­nte, kann der US-​Rüstungssektor zuver­sichtlich bleiben: alle US-​Regierungen wer­den, unab­hängig von ihrer poli­tis­chen Couleur, abse­hbar ihre Poli­tik der Staatsver­schul­dung fort­set­zen und das Mil­itär­bud­get weiter finanzieren kön­nen. Dank steigen­der Dol­lar­nach­frage und dem fort­ge­set­zten Geld­druck durch die FED,– übri­gens auch unter neuer Führung von Janet Yellen — ver­fügt das US-​Bankensystem über der­art umfan­gre­iche Geldquellen, die aus­re­ichen, um nicht nur die ökonomisch par­a­sitäre und poli­tisch gefährliche Rüs­tungsin­dus­trie der USA finanzieren zu kön­nen. Dieses Banken­sys­tem ließ auch die US-​Bankenkrise hin­ter sich und erlangte inzwis­chen jene Macht, um sämtliche guten Ansätze zur Banken­reg­ulierung in den USA und sogar inner­halb der Euro­zone erfol­gre­ich zu Fall zu bringen.

Im Grunde ist der „Dollar-​Imperialismus“ eine höchst insta­bile Kon­struk­tion mit schwer vorstell­baren Absur­ditäten. Zum einen hält diese einen gigan­tis­chen Gewal­tap­pa­rat in den USA am Leben, die nicht die amerikanis­chen Steuerzahler son­dern wir alle und ohne es zu merken mit­fi­nanzieren. Und zum anderen stützt sich diese Kon­struk­tion auf Chaos, Gewalt und Bürg­erkriege in der Welt, ins­beson­dere in den ölre­ichen Regio­nen, die deshalb auch jed­erzeit zusam­men­brechen und die Welt in schw­er­wiegende Krisen stürzen kön­nte. Was kön­nte eigentlich noch absur­der sein als die Tat­sache, dass wir alle mit unserem Geld einen par­a­sitären Indus­triesek­tor mit­fi­nanzieren, dessen Fortbeste­hen in let­zter Instanz davon abhängt, dass ein Welt­frieden auf dem Plan­eten Erde niemals zus­tande kom­men darf.

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Die ver­häng­nisvolle Rolle der NSA

Zudem erzeugt diese Kon­struk­tion eine uner­schöpfliche Gier nach umfan­gre­ich­sten Kon­trollen aller Kom­mu­nika­tionsverbindun­gen, ein­schließlich des Ausspähens der Spitzen sämtlicher Regierun­gen, auch jener der befre­un­de­ten Staaten. Der NSA-​Skandal — dank Edward Snow­den enthüllt — dürfte angesichts des in diesem Beitrag skizzierten Dollar-​Imperialismus in einem neuen Licht erscheinen. Wäre es zu weit herge­holt, die Legit­i­ma­tion eines Sicher­heit­sap­pa­rats, der sogar die Staat­sor­gane von befre­un­de­ten Staaten, wie jene Deutsch­lands, auss­pi­oniert, im Kon­text von auss­chließlich nationalen Inter­essen der USA zu sehen?

Die NSA wurde jeden­falls 1952 und damit zu einem Zeit­punkt gegrün­det, als von Al Kaida und Nine Eleven weit und breit noch keine Rede war, von den Vorteilen einer auf­streben­den Hege­mo­nial­macht mit diversen ökonomis­chen Priv­i­legien aber schon. Heute geht es wohl u. a. um nichts weniger als um das klare Inter­esse der ein­flussre­ich­sten Allianz aus MIK und Finanzsek­tor in den USA, die um der eige­nen Exis­tenz willen darauf angewiesen ist, sämtliche Schritte und Bewe­gun­gen in der Welt, die den gegen­wär­ti­gen Sta­tus der US-​Währung gefährden kön­nten, rechtzeitig zu erken­nen und mit allen Mit­teln im Keim zu ersticken. Trotz weltweiter Empörung hat Obama – offen­sichtlich aus Rück­sicht auf seine poli­tis­chen Wider­sacher — bei seiner Rede am 17.01.2014 unter­strichen, dass die USA weit­er­hin „Infor­ma­tio­nen über die Absichten fremder Regierun­gen“ sam­meln wer­den. Ungeachtet dessen stellt die NSA, wie es sich her­aus­gestellt hat, auch noch die größte Gefahr für die Demokratie in Amerika und dem Westen ins­ge­samt dar, und zwar in einer Weise, wie sich Dwight Eisen­hower, als er vor dem militär-​industriellen Kom­plex bei seiner Abschied­srede gewarnt hatte, dies nicht vorstellen kon­nte.

Wäre es daher nicht ange­bracht, dass sich die Welt­ge­mein­schaft noch rechtzeitig gegen diese höchst gefährliche Entwick­lung wehrt?

Als langfristige Lösung bietet sich die glob­ale Energiewende an, die auch deshalb zügig vor­angetrieben wer­den müsste. Kurzfristig müsste aber die
Demokratisierung der Weltwirtschaft durch die Abschaf­fung des Monopols der USA am Welt­geld, auf der welt­poli­tis­chen Agenda ste­hen. Was wäre natür­licher als die Etablierung einer den tat­säch­lichen ökonomis­chen Kräftev­er­hält­nis­sen Rech­nung tra­gen­den Vielfalt von Leitwährun­gen, neben Dol­lar also auch Euro und Ren­minbi.


Eine solche Alter­na­tive würde auch den langfristi­gen Inter­essen der Amerikaner dienen, trüge sie doch dazu bei, dass die USA im Ergeb­nis die par­a­sitären Teile ihrer Ökonomie abstoßen. Im Inter­esse einer sta­bil­eren, friedlicheren und demokratis­cheren Welt ist sie auf jeden Fall unauswe­ich­lich. Ander­er­seits zeigen Oba­mas eigene bit­teren Erfahrun­gen, von nahezu allen seinen guten Refor­man­sätzen abrücken zu müssen, dass die USA allein und aus eige­nen Kräften zur Zurück­drän­gung par­a­sitärer Inter­essen der heimtück­ischen Allianz von Finanz und Mil­itär kaum in der Lage sind. Eine durch EU und China voranzutreibende Leitwährungsvielfalt kön­nte jedoch den USA helfen, den bish­eri­gen Pfad der Wohl­standsver­mehrung durch impe­ri­al­is­tis­che Meth­o­den zu ver­lassen; die eige­nen Leis­tun­gen und Pro­duk­tiv­itäten sind ohne­hin unermesslich.

Noten

[1] Zu den Zahlen vgl. Fis­cal Year 2014, His­tor­i­cal Tables. Bud­get of the U.S. Gov­ern­ment, Wash­ing­ton DC, S. 143f.

[2] Lei­der überse­hen Ökonomen und Wirtschaft­sjour­nal­is­ten die Son­der­rolle der nach außen gerichteten US-​Notenbankpolitik und führen, trotz der gravieren­den Fol­gen für den Rest der Welt, die expan­sion­is­tis­che Dol­larver­mehrung ana­log zur Geld­poli­tik der übri­gen kap­i­tal­is­tis­chen Staaten auss­chließlich auf interne Bedürfnisse der USA zurück. „Die US-​Notenbank Fed“, um ein aktuelles Beispiel zu nen­nen, die nach einer Analyse der Frank­furter Rund­schau von 30. Jan­uar 2014 in den let­zten Jahren “mehr als 3000 Mil­liar­den Dol­lar in die Welt gepumpt hat“ …“richtet ihre Poli­tik nach den Bedürfnis­sen der USA aus, um dort die Kon­junk­tur und die Preis­sta­bil­ität zu fördern.“

[3] Zitiert nach David Grae­ber: Schulden, Stuttgart 2012, S.384f.

[4] Fis­cal Year 2014. His­tor­i­cal Tables a.a. O. S.50ff.

[5] Ebenda,S.383

[6] Ebenda, S. 386

[7] http:/www.newamericancentury.org/statementofprincipales.htm

[8] Aus­führlicher Mohssen Mas­sar­rat: Rät­sel Ölpreis, in: Blät­ter für deutsche und inter­na­tionale Poli­tik, 102088

Danke Tlax­cala
Quelle: http://​www​.ette​laat​.com/​e​t​i​r​a​n​/​?​p​=​26187
Erschei­n­ungs­da­tum des Orig­i­nalar­tikels: 10/​10/​2013
Artikel in Tlax­cala veröf­fentlicht: http://​www​.tlax​cala​-int​.org/​a​r​t​i​c​l​e​.​a​s​p​?​r​e​f​e​r​e​n​c​e​=​12144

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